Coverdesign oder: Irgendwas mit Kohlköpfen …
Wie gute – oder auch schlechte – Buchcover entstehen
Sie haben es bestimmt schon erlebt: Ein kurzer Blick auf das Cover entscheidet darüber, ob ein Buch Ihre Aufmerksamkeit weckt. Die erfahrene Designerin Maja Bechert erzählt, was gelungenes Coverdesign im Idealfall ausmacht und woran das oft in der Praxis scheitert. [von Susanne Wagner]
Frau Bechert, Sie gestalten seit über 25 Jahren Buchcover. Was ist Ihnen besonders wichtig, wenn Sie eine Coveridee entwickeln?
MB: Mir ist sehr wichtig, die Atmosphäre des Textes aufs Cover zu bringen. Ich lese die Manuskripte ganz oder zumindest teilweise, weil der Klappentext meistens nicht die richtige Stimmung transportiert. Ich versuche auch, ein Gefühl für die literarische Sprache zu bekommen. Ich lasse mich davon inspirieren und bringe die Atmosphäre des Buchs in die Titelgestaltung ein.
Es gibt eine Wechselbeziehung zwischen Cover und Buch. Eine Titelgestaltung stellt mich auf das Buch ein und beeinflusst mein Leseerlebnis.
Was muss ein gutes Coverdesign unbedingt erfüllen?
MB: Ein Buchcover bietet einen sehr beschränkten Raum. Es muss plakativ sein, damit es aus der Masse heraussticht und es auch sehr verkleinert, zum Beispiel im Internet, gut dargestellt werden kann. Eine gewisse Erwartungshaltung der Leser sollte natürlich mit den Gestaltungsmitteln erfüllt – oder zumindest nicht enttäuscht – werden. Zum Beispiel eine Verortung im Genre: Ist es ein experimenteller Roman? Ist es eine historische Geschichte, ein Krimi usw.? Und es sollte irgendeinen Moment der Überraschung geben. Man kann mit den Erwartungen, den Sehgewohnheiten bewusst brechen. Es gibt Titel ganz ohne Schrift, auf denen nur ein Bild gezeigt wird. Das standardmäßige Foto plus Schrift kombiniere ich selbst zwar auch viel, aber nur, weil es der Verlag nach wie vor so wünscht. Ich versuche immer, dagegen zu argumentieren.
„Es gibt kein wirkliches No-Go, wenn man bewusst mit Regeln bricht und gekonnt überrascht.“
Was gefällt Ihnen bei Buchtiteln gar nicht?
Wenn es zu klischeehaft wird und man immer wieder die gleichen Dinge zu sehen bekommt. Wenn ich denke: Wie viele Frauen von hinten muss ich mir noch anschauen? Das sind oft die romantischen Titel. Bei Krimis wird meistens klischeehaft die Farbgebung Schwarz, Dunkelblau, Rot gewünscht. Übers Ziel hinaus geschossen empfinde ich Hyperrealistische Illustrationen, die einem zu sehr aufgedrängt werden – zu perfekt, mit zu vielen Details.
Was sind die größten Gestaltungsfehler?
MB: Auffällig ist, wie wenig Wert manchmal auf die Typografie gelegt wird. Sowohl auf die Schriftauswahl als auch auf die Art der Verwendung und den Spannungsaufbau. Auf so engem Raum wirkt es sehr unruhig, wenn zu viele verschiedene Schriften verwendet werden. Oder wenn sie zu klein gesetzt werden. Es kann natürlich auch stimmig wirken, wenn ich etwa ein ganz starkes Bild habe und den Titel dann klein dazu setze. Da kenne ich auch tolle Beispiele. Aber man merkt, dass das bewusste Entscheidungen sind. Auch die Blickführung ist wichtig. Wenn alle Elemente gleich stark, gleich wichtig wirken, weiß der Betrachter nicht, wo er zuerst hinschauen soll. Bei Titel-Typografie sollte man sich etwas beschränken. Reduktion fällt zwar auch mal eine schöne Idee zum Opfer, der Titel wird dann aber meistens besser.
„Das Cover soll etwas jenseits des schriftlichen Titels aufmachen. Eine weitere Dimension zeigen, einen weiteren Raum öffnen.“
Meiner Meinung nach ist es auch nicht sinnvoll, Dinge offensichtlich zu doppeln. Wenn zum Beispiel im Titel „Berlin“ steht und dann auch noch der „Alex“ gezeigt wird. Es gibt auch eine Tendenz, dass man richtig viel, möglichst alle Details, auf den Titel ins Bild packen will. Das finde ich langweilig. Diese Art von bildlicher Inhaltsangabe sagt nichts über die Atmosphäre oder die Art des Buchs aus. Das hat zum Glück in letzter Zeit etwas nachgelassen. Ich denke, da macht sich die neue Generation von Gestalterinnen und Gestaltern und anderen Beteiligten in den Verlagen bemerkbar, die spannende Buchtitel schätzen.
Haben Sie sich schon einmal ein Buch nur wegen des Covers gekauft?
MB: Ja. Das autobiografische Buch „1000 Serpentinen Angst“ von Olivia Wenzel hat mich total angesprochen. Es ist mir aufgefallen wegen des lustigen und sehr schönen Covers. Diese Kreise sind nicht einfach nur vollfarbige Kreise, sondern sie haben eine Art Holzstruktur. Das Design ist von Marion Blomeyer, einer Gestalterin aus München, die ich auch ganz toll finde.
Wer entscheidet eigentlich über den Buchtitel?
MB: Es gibt unterschiedliche Erwartungen. Einmal vom Verlag und dann von den Vertretern, die durch die Lande ziehen und den Buchhandlungen Bücher vorschlagen.
In der Vertretersitzung kann es passieren, dass mit sehr konservativen Ansichten gerade die interessantesten Gestaltungsideen abgelehnt werden, obwohl diese bereits vom Verlag akzeptiert wurden. Da gibt es oft vorgefasste Meinungen: Die Vertreter haben die Sorge, die Buchhändler nehmen uns das nicht ab – und die Buchhändler wiederum denken, die Kunden kaufen das nicht.
Welche Rolle spielt der Autor bei der Titelwahl?
MB: Da hatte ich vor ein paar Jahren ein interessantes Erlebnis. Es gab ein Buch, einen historischen Roman, von einem Schweizer Autor. Auf der Vertretersitzung hieß es, wenn wir das Buch auch in der Schweiz verkaufen wollen, müsse man sofort erkennen, dass die Geschichte in der Schweiz spielt. Da müssten Berge auf den Titel und so weiter. Mein Entwurf sah aber völlig anders aus und wurde von den Vertretern abgelehnt. Dann wurde der Titel nochmal dem Autor gezeigt, der ja auch hinter dem Cover stehen können sollte. Der Autor hat meinen Entwurf zum Glück verteidigt und ich musste nichts mit Bergen und Almen gestalten. Normalerweise habe ich aber mit der Autorin oder dem Autor direkt nichts zu tun. Es läuft alles über den Verlag.
Manchmal mischen auch sehr persönliche Ansichten bei der Titelgestaltung mit. Vor einiger Zeit gab es einen Titelentwurf, bei dem im Vordergrund eine Taube entlang spaziert ist. Im Hintergrund sah man Frankfurter Häuser. Und der Autor hat gesagt, Tauben könne er überhaupt nicht leiden. Damit war der Titel Tauben-frei.
Wie viele unterschiedliche Titel entwerfen Sie für ein Buch?
MB: In den letzten Jahren möchte der Verlag Edition Nautilus von mir von vornherein drei völlig verschiedene Coverentwürfe. Schade natürlich, wenn ich schon beim ersten Wurf die gute Idee gefunden habe, und der Verlag sich dann für den – aus Sicht des Gestalters – zweit- oder drittbesten Titel entscheidet. Es ist aber generell bei Coverdesignern in der Verlagswelt selten, dass der erste Entwurf gleich genommen wird. Und dann wird ohnehin noch an den Details gefeilt.
Welches Cover hat Ihnen zuletzt sehr viel abverlangt?
MB: Das Coverdesign für „Trümmerfrauen“ von Christine Koschmieder war eine sehr schwierige Geburt. Dafür habe ich viele verschiedenen Sachen entworfen. Das war dann zeitweilig recht frustrierend. Im Buch geht es um einen Schrebergarten und im Briefing gab es den Wunsch nach einem Schrebergarten-Foto – schön stimmungsvoll und so weiter. Und es stand auch im Briefing „irgendwas mit Kohlköpfen …“, weil die Kohlköpfe in der Geschichte eine große Rolle spielen. Jetzt ist auf dem Titel zwar auch ein Foto, aber recht reduziert und nicht romantisiert. Hierbei gab es wirklich viele Zwischenschritte.
Was würden Sie sich als Coverdesignerin für die Zukunft wünschen?
MB: Mehr Vertrauen. Mehr Vertrauen in meine Expertise.
Was ist derzeit Ihr Lieblingscover?
MB: „Solenoid“ von Mircea Cartarescu, erschienen im Verlag Zsolnay (Hanser Literaturverlage). Das Coverdesign ist originell, sehr reduziert, nur schwarz-weiß, und der Titel hat Bezug zum Inhalt. In der Erzählung kommt ein riesiger, unterirdischer Magnet vor. Die Formen erinnern mich an Magnetfelder – sehr spielerisch. Man ist frei in der Interpretation – es könnte sich auch um eine Art von Topografie handeln.
Ich muss nicht erzählt bekommen, um was es in der Geschichte geht. Dieser rätselhafte Titel, dieses rätselhafte Bild – das reicht, um mein Interesse für das Buch zu wecken.
Maja Bechert gestaltet seit über 25 Jahren Buchtitel – hauptsächlich für den Verlag Edition Nautilus – Belletristik, viele Krimis, gelegentlich aber auch politische Sachbücher oder zum Beispiel Stadtteilbücher für den Junius Verlag in Hamburg.
Ihre Inspiration holt sie sich auch bei ihrer Gestaltungsarbeit für das Hamburger Fundus Theater – ein Forschungstheater, ein Ort der experimentellen Arbeit mit Kindern und Schulklassen.
Maja Bechert lebt und arbeitet in Hamburg. Ihr Schwerpunkt liegt bei Werbung für Kultur.