Künstliche Intelligenz im Lektorat
/LiSA und die Textehexe
Susanne Pavlovic ist seit fast zehn Jahren freie Lektorin und bekannt als die „Textehexe“. Seit April 2019 erstellt sie mit Hilfe der KI-gestützten Software LiSA von QualiFiction Manuskript-Gutachten. Wie das ihre Arbeit und die Zusammenarbeit mit den Autoren verändert, erzählt sie uns im Interview. [Susanne Wagner]
Die Software LiSA wurde von dem Start-up QualiFiction ursprünglich für Verlage konzipiert, stellt aber inzwischen ihre Dienste auch direkt für Autoren zur Verfügung. Auf Basis von Künstlicher Intelligenz analysiert und bewertet LiSA ein neues Manuskript nach Vergleichsdaten aus zahlreichen bestehenden Belletristik-Werken des gleichen Genres – derzeit Belletristik, Fantasy, Kriminalroman, Thriller & Spannung, Science Fiction, Liebesroman, Erotischer Liebesroman und Historischer Roman. Analysiert werden zum Beispiel: Themen, Sentiment, Stil, Figuren, Leserpotenzial. Das erfahrene Lektorinnen-Team der Textehexe interpretiert die Ergebnisse aus LiSA und überführt sie in einen Handlungsplan für den Autor. Wenn Sie mehr über die Anfänge von LiSA erfahren möchten, lesen Sie unseren Blogbeitrag „QualiFiction und die Bestseller-DNA“.
Wie kam es zu der Kooperation mit QualiFiction?
Susanne Pavlovic: Das war ein Zufallsfund auf der Frankfurter Buchmesse 2018. Ich lief auf dem Weg zu einer Verabredung am QualiFiction-Stand vorbei. Schon der erste Teasertext hat mich eingefangen und ich dachte mir: Das wollen meine Self-Publisher. Dann habe ich mich mit den Geschäftsführern Gesa Schöning und Ralf Winkler unterhalten und wir haben uns spontan sympathisch gefunden. Das war tatsächlich der Grundstein.
Zu der Zeit richtete sich die Softwarelösung LiSA an Verlage. Meine Idee war gleich, dass es für Self-Publisher höchstspannend sein könnte, wenn der einzelne Autor auf diese Datenbank zugreifen und ein einzelnes Manuskript hochladen könnte. Das war zu dem Zeitpunkt noch nicht möglich – in der Zwischenzeit geht das.
Richtig konkret sind wir erst eine Weile danach geworden. Zunächst telefonisch und dann haben wir uns kurz vor Weihnachten in Berlin getroffen, um in Ruhe zu besprechen, was wir miteinander machen könnten. Wir haben alles zusammen vorbereitet und seit April 2019 biete ich exklusiv diesen Dienst an.
In verschiedenen Interviews wurde QualiFiction unterstellt, dass die Software LiSA Mainstream fördern würde. Als Lösung für große individuelle Literatur wurde die Software eher nicht gesehen. Hatten Sie ähnliche Bedenken oder Vorurteile, was KI im Verlagswesen betrifft?
SP: Nein, zu keinem Zeitpunkt. Weil ich sehr genau unterscheiden kann, was Schreiben für den Markt ist und was Schreiben für die Kunst ist. Und Kunst, die so abgedreht ist, dass sie niemanden mehr mitnimmt – ich weiß nicht, ob das irgendjemanden weiterbringt. Wenn ich mich dazu entscheide etwas zu schreiben, was das Potenzial hat, sich gut zu verkaufen, dann muss ich auf jeden Fall den Leser abholen.
„Wir haben momentan leider so eine Neuerungs-Aversion und die Vorurteile in der Verlagswelt neuen Technologien gegenüber bauen sich erst langsam ab. Es gibt auch immer noch Menschen, die sagen: „Mit dem E-Book stirbt das Buch; der Untergang der abendländischen Kultur.“
Es gibt eine sehr große Schnittmenge zwischen dem, was neu und originell ist und beim Schreiben Spaß macht – und durchaus den Begriff Kunst verdient – und dem, was sich trotzdem gut verkauft. Was ich bei LiSA sehr gut finde ist, dass sie nicht nur quasi das Wiederkäuen von alten Klischees mit einem guten Ergebnis belohnt, sondern dass LiSA eben diese Mischung aus neuen modernen, ungewöhnlicheren Sachen und traditionellen Erzählmotiven belohnt.
Kommen die Interessenten für LiSA-unterstütztes Lektorat eher über QualiFiction oder über Sie?
SP: Der größere Teil kommt tatsächlich über QualiFiction. Die anderen Interessenten kontaktieren mich über meine Website und einige über Facebook. Natürlich sind es seit April noch keine Unmengen, aber doch so viele, dass ich sagen kann, LiSA lohnt sich.
Wie sieht der Arbeitsprozess mit LiSA aus?
SP: Zerlegen, Analysieren, Logiken herausfinden: Warum funktioniert diese Figur nicht? Warum ist es hier nicht spannend? Das ist wie Detektivarbeit – oder wie eine sehr intensive Analysearbeit. Und da hilft LiSA sehr. LiSA und ich arbeiten am Anfang parallel. Die Software analysiert und ich lese in den Text rein, und ich lese das Manuskript quer. Dann nehme ich die Analyse von LiSA und gleiche meine Einschätzung mit ihren Ergebnissen ab. Wenn bei LiSA irgendwo zum Beispiel Elemente auftauchen, die sich negativ auf das Gesamtergebnis auswirken, schaue ich: Wie könnte man das lösen? An welcher Schraube könnte man drehen, damit man hier positiver abschneidet? Das ist letztendlich die Arbeit. Aber ich habe keine komplette Textkenntnis vom ersten bis zum letzten Satz. Letztendlich ist es ein erweitertes Manuskript-Gutachten, dem ein vollständiges Lektorat folgen würde. Der Vorteil ist, dass ich mit LiSA schneller zum gleichen Ergebnis komme oder in der gleichen Zeit sogar zu einem tieferen Ergebnis. Wenn ich normal acht bis zehn Stunden bräuchte, schaffe ich ein Manuskript-Gutachten mit LiSA in zwei bis drei Stunden.
„Ich empfinde die Technologie als eine Ergänzung. Ich nutze LiSA als sehr lohnende und kenntnisreiche Ergänzung meiner eigenen Arbeit. Ich fühle mich in keiner Weise überflüssig. Die Kombination aus einer menschlichen Expertise und der Statistik, die so eine KI liefern kann, bringt einen wirklich weiter.“
Wie unterstützt LiSA Ihre Arbeit mit den Autoren?
SP: Nehmen wir an, jemand schreibt einen kitschigen Liebesroman, in dem er in allen blutigen Einzelheiten einen Mord beschreibt. Dann geht es nicht darum, ob ich als Susanne P. aus B. gerne blutige Morde lese, sondern es geht darum: Könnten die Leser, die dieses Buch in die Hand nehmen und rosa Glitzer erwarten vielleicht in ihrer Erwartungshaltung enttäuscht werden? Zu deutsch: Das Buch schlecht finden. In der Arbeit mit den Autoren übernehme ich also die Rolle des Lesers und versuche, quasi zwischen Autor und der Erwartungshaltung der Leser zu vermitteln. Und da unterstützt mich die LiSA-Analyse. Die Ergebnisse sind schnell erfassbar. Der Autor bekommt nicht nur eine schriftliche Einschätzung, sondern Bild-Diagramme, die visualisieren, was in seinem Text abgeht. Wenn jemand seine Zielgruppe nicht trifft, lässt sich das leicht erkennen.
„LiSA ist für mich vor allem ein Kommunikationsmittel, um auf eine gelenkte Art und Weise mit Leuten über ihre Texte zu sprechen und die Möglichkeit, etwas optisch darzustellen, was ich sonst nur in einem Text beschreiben könnte.“
Wenn es um schmerzhafte Entscheidungen für die Geschichte geht, ist tatsächlich der zwischenmenschliche Kontakt durch nichts zu ersetzen. Was mir dabei enorm hilft, ist mein pädagogischer Berufshintergrund. Ich zeige die Optionen und die Vor- und Nachteile auf. Dann können die Autoren entscheiden, ob sie die Änderung vornehmen möchten, oder eben bewusst nicht. Das ist auch die Freiheit des Self-Publishers und des freien Lektors. Wir können ganz nach Stoff und nach Gusto entscheiden. Während die Kollegen in den Verlagshäusern mehr nach Vorgaben arbeiten müssen.
Gibt es Aha-Effekte, wenn die Autoren die Zusammenfassungen der LiSA-Analyse anschauen?
SP: Auf jeden Fall. Diejenigen, die an mich herantreten, wollen mehr als die reine Analyse von LiSA. Und dann ist es mein Job, ihnen auf Grundlage von LiSA einen Mehrwert zu bieten. Und da ist durchaus das eine oder andere Aha-Erlebnis schon passiert.
Zum Beispiel wenn ich die Sentimentkurve aufrufe und es ist alles in diesem mittleren Bereich – mittelgrau. Und ich sage dann den Leuten: Hier fehlt eine echte Spannungskurve. Und dann gucken wir zum Beispiel in den Text rein und stellen fest: Der Inhalt, so wie der läuft, würde für zwei Romane reichen. Der Hauptkonflikt ist etwa in der Mitte abgeschlossen. Weil der Autor dann noch keine Lust hatte mit dem Schreiben aufzuhören – nach 140 Seiten – hat er einen zweiten Konflikt angehängt. Und dann geht die Geschichte einfach weiter. Das wird in der Sentimentskurve quasi als Seitwärtsbewegung dargestellt. Das ist ziemlich cool, weil man damit den Leuten zeigen kann, wo sie den Schnitt machen müssten. Oder die Geschichte anders aufbauen oder mit anderen Inhalten füllen müssten.
Würden Sie LiSA allen Belletristik-Autoren empfehlen?
SP: Ja, allen Autoren, denen auch an Verkaufszahlen gelegen ist. Denn man darf nicht erwarten, lustig am Markt vorbeizuschreiben und dann der neue Bestseller zu werden, weil das nicht stattfinden wird.
Glauben Sie, eine KI-Software wie LiSA könnte sich bald bei Self-Publishern und anderen Autoren etablieren?
SP: Bei den professionellen Self-Publishern, die davon leben, eine Zielgruppe zu bedienen, kommt es auf die Verkaufszahlen an. Ich könnte mir vorstellen, dass sich hier eine Software wie LiSA als ein sehr sinnvolles Hilfsmittel durchsetzen könnte – um zu justieren und zu gucken: Wo kann ich noch was rauskitzeln? Inzwischen ist LiSA für die Bedürfnisse von Self-Publishern optimiert.
Und ich sehe auch im Segment der Debutautoren Bedarf. Die sind natürlich ein bisschen schwer zu erreichen, weil sie noch nicht so gut vernetzt sind. Aber jemand mit seinem ersten Roman, der den Markt noch nicht so gut kennt – und auch nicht im Bekanntenkreis die altgediente Lektorin hat, die mal erzählen kann, wie der Hase läuft –, der würde davon sehr profitieren.
Welchen Einfluss könnte LiSA auf die Verlagswelt haben?
SP: Das ist eine Hoffnung, keine Prognose: Ich hoffe, dass LiSA dazu führt, dass die Verlage auch unbekannten Autoren häufiger eine Chance geben. Zum einen, weil sie mit LiSA in der Lage wären einfach mehr Manuskripte durch eine oberflächliche erste Prüfung zu jagen. Das heißt, sie können intensiver die Perlen herausfiltern. Zum anderen ist es vielleicht doch ein Anreiz, zu sagen: Hier, Silke Müller kennt kein Mensch, aber guck mal, die Zahlen. Und dann eben die Silke Müller doch mal zum Zug kommen zu lassen und vielleicht dann auch sie im Verlagsprogramm ein Stück weiter vorne anzusiedeln.
Oft ist ja gar nicht das Problem, dass die Verlage die neuen jungen Autoren nicht nehmen, sondern sie schieben sie ins E-Book-Programm, kümmern sich nicht darum und lassen sie da vor sich hindümpeln. Bis die Autoren nach zwei oder drei Jahren völlig frustriert nie wieder bei einem Verlag veröffentlichen wollen. Das ist leider oft so. Dass neue Autoren stärker zum Tragen kommen als bisher – das wäre meine Hoffnung.
TIPP für Self-Publisher: Matthias Matting beschreibt detailliert und praxisnah die Funktionsweise von LiSA in Die Self-Publisher-Bibel.
Susanne Pavlovic
Textehexe
Judenstraße 12
96049 Bamberg
www.textehexe.com
Susanne Pavlovic lektoriert Romane und Sachbücher für Verlage und Self-Publisher.
Das kostet LiSA & Lektorat:
299 Euro* kostet die LiSA-Analyse inklusive Beratung durch die Textehexe-Lektorinnen
Der Bonus für Lektoratskunden: Wenn Sie Ihr Manuskript komplett bei Textehexe lektorieren, gibt es LiSA auf Wunsch gratis dazu.
Das Team von QualiFiction erreichen Sie hier:
QualiFiction GmbH
Neß 1
20457 Hamburg
kontakt@qualifiction.de
www.qualifiction.info
Gesa Schöning und Dr. Ralf Winkler gründeten QualiFiction 2017.
QualiFiction hält unterschiedliche Angebote und Rabatte bereit; die LiSA-Einzelanalyse eines Manuskripts kostet 49 Euro*.
*Stand 11/2019
Die frischgebackene Romanautorin Katharina Glück verrät im Interview Tricks, wie sie den Roman ENTGLEIST neben ihrem Alltag schreiben konnte.